Was ist Putativnotwehr?

»Bist Du schon einmal in die »Mühlen der Justiz«, vor allem in die der deutschen Strafjustiz, geraten?

Bist Du schon einmal verhaftet worden?

Wurde bei Dir schon mal eine Nacht- und Nebelaktion anlässlich einer Hausdurchsuchung oder Beschlagnahmeaktion durchgezogen, ganz nach bester deutscher Polizeitradition?«

Etwas verdutzt auf diese seltsamen Fragen antwortest Du jetzt sehr wahrscheinlich: »Selbstverständlich nicht!«

Also dann zählst Du zu den Glücklichen, die noch nie mit unserem so genannten »Recht(s)staat« Bekanntschaft schließen durften?

Oder gehörst Du sogar zu denen, die noch nicht einmal wegen eines Strafzettels die überaus freundliche Art und Weise unserer Polizei kennen lernen durften?

»Einen Strafzettel habe ich schon mal bekommen, aber sonst hatte ich noch keine Berührung mit unserer Justiz! Aber warum fragst Du mich das eigentlich?« wunderst Du Dich immer mehr über meine seltsamen Fragen.

Ich werde Dir heute ein paar sehr interessante Dinge erzählen. Es könnte allerdings sein, dass Du möglicherweise dazu neigen wirst, auf Grund Deiner selbsttrügerischen Fehleinschätzung das Thema nicht ernst zu nehmen oder Du kannst der Meinung sein, dass Du ein gutes Gewissen hast.

Täusche Dich aber bitte nicht!

Schon morgen oder möglicherweise gar im nächsten Moment könntest Du eines Besseren belehrt werden, indem Dir der Streifenpolizist an der Ecke unmissverständlich klar macht, dass er auf jeden Fall immer im Recht ist und dass er alles kann, denn über folgendes solltest Du Dir eindeutig im Klaren sein:

Diese Gruppe von Menschen sind nicht nur stets im Recht, sondern Dir gegenüber auch noch im Vorteil. Dem Vorteil nämlich, dass die Macht auf ihrer Seite steht oder noch deutlicher gesagt, dass die Staatsmacht auf ihrer Seite steht und diese korrumpiert. Wer einmal an der »Droge Macht« geschnüffelt hat, kommt von ihr ebenso wenig los wie der Junkie von der Nadel oder der Alkoholiker von der Flasche. Über das Weitere kannst Du Dir ebenfalls sicher sein:

Eine rechtliche Begründung für jede x-beliebige willkürliche Handlung lässt sich immer finden, denn das Zeugnis eines Polizeibeamten zählt vor Gericht mehr, als das von zehn »gewöhnlichen« Zeugen. Er repräsentiert den Staat kraft seiner Uniform, die ihm sogar den Dienstausweis ersetzt und er sich deshalb nicht auszuweisen braucht?

»Genau. Ein Polizist braucht sich nicht auszuweisen! Er trägt ja schließlich seine Uniform!« stellst Du jetzt mit großer Sicherheit fest.

Das glauben die meisten Menschen: »Ein Polizist muss seinen Dienstausweis nicht vorzeigen!« Dies ist allerdings ein ganz großer Irrtum.

Es ist sogar schon vorgekommen, dass ein Bekannter von mir vor ein paar Jahren die Legitimation, also den Dienstausweis, eines Polizeibeamten verlangt hatte und dieser dann folgende, schriftliche Stellungnahme des Dienststellenleiters erhielt:

»Polizeikommissar Kaluza sowie Polizeihauptmeister Kopp sind Ihnen als Angehöriger des Polizeipostens Loßburg persönlich bekannt, weshalb eine weitere Legitimation durch Dienstausweis entbehrlich erscheint!«

Erstens, kannte mein Bekannter keinen dieser Herren und zum Zweiten wird die Bevölkerung doch immer zur »Wachsamkeit« gegen den Terrorismus aufgerufen! Und nun soll bei den »Schutzleuten« eine Ausnahme gemacht werden? Eine Uniform ist schnell mal geklaut oder »ausgeliehen«, angezogen und schnell haben wir – wie die Vergangenheit schon oft bewiesen hat – die Gauner und Terroristen in Uniform! Dieser Herr Dienststellenleiter macht hier scheinbar seine eigenen Gesetze. Deshalb sage ich Dir:

»Jeder Polizeibeamte, ob in Uniform oder nicht, ob persönlich bekannt oder nicht, muss sich laut Gesetz Dir gegenüber vor jedem juristischen Handeln oder Einschreiten legitimieren! Ohne wenn und aber!

Ich will Dir ein kleines Beispiel aufzeigen, damit Du erkennst, wie groß die Macht der »Schutzleute« sein kann. Wenn Du oder einer Deiner Freunde oder Bekannten zeitunglesend auf einer Parkbank sitzst und plötzlich wirst Du oder Dein Freund oder Dein Bekannter von einem Kugelhagel aus einem Maschinengewehr niedergestreckt, so hast Du, oder eben Dein Freund oder Bekannter, nicht Zeitung gelesen, sondern den »Staatsdiener« bedroht und dieser handelte dann aus Notwehr oder sogar aus »Putativnotwehr«.

»Puta… was?« denkst Du jetzt?

»Putativnotwehr«! Wenn der »Schutzmann« aus Angst, Schrecken oder anderen stichhaltigen Gründen schießt, weil Du, oder Dein Freund oder Dein Bekannter eventuell eine falsche Bewegung riskiert hast. Etwa, weil Du Dich hinter der Zeitung verstecken wolltest und dahinter hättest Du ja eine Pistole oder sonst irgendetwas in Anschlag bringen können.

Wortwörtlich steht im deutschen Strafgesetzbuch unter dem §33 (Überschreitung der Notwehr): »Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.«

Der Täter ist in diesem Fall der »Schutzmann«, der geschossen hat und geht somit straffrei aus. Du hättest ja immerhin Terrorist sein können, hättest den zufällig vorbeifahrenden Staatspräsidenten des Landes XY bedrohen oder gar umbringen wollen, mögen, geplant, vorgehabt oder wer weiß was für schreckliche Dinge mehr …

Was ich Dir damit sagen wollte ist, dass Staatsdiener vorausschauend handeln müssen, um schlimmeres zu vermeiden. Sie stehen ja schließlich unter Erfolgszwang. Und was hast Du auch völlig unnötigerweise zu einer beliebigen unmöglichen Tageszeit im Park Zeitung zu lesen. Das ist doch schon ein höchst verdächtiges Verhalten. Zwar möge Dir die freiheitlich-demokratische Grundordnung – auf dem Papier – zugestehen, Zeitung lesen zu dürfen, aber bedenke bitte, wie viele kriminell veranlagte Elemente dieses Recht missbrauchen und nur so tun, als würden sie Zeitung lesen, während sie bereits etwas sehr Schlimmes im Schilde führen. Doch so schlimm muss es nicht kommen …

Auch bei jeder anderen weit weniger dramatischen Gelegenheit als Zeitungsleser könnest Du mit den Bestimmungen, vorzugsweise der StPO (Strafprozessordnung) und StGB (Strafgesetzbuch) in Konflikt geraten, und all den dazu ergangenen Nebengesetzen, ergänzenden Bestimmungen, Blankettvorschriften, Ausführungs- und Ergänzungsverordnungen usw …

Vollkommen entrüstet denkst Du jetzt: »Das was Du mir da erzählst gehört doch einer längst überwundenen, dunklen Vergangenheit der deutschen Justiz an! Die Zeiten sind vorbei!«

Du hast Recht. Die Zeiten sind tatsächlich vorbei, so dass Raum geschaffen wurde für neue derartige Zeiten in zweiter und verbesserter Auflage, denn die Alliierten haben zur Stunde Null, also am 08. Mai 1945, und in der Folgezeit den Kardinalfehler begangen, den früheren Rechtszustand im Großen und Ganzen beizubehalten bzw. dessen Wiedereinführung mehr oder minder großzügig zuzulassen! Ob dies nur ein dummer Zufall war oder blanke Absicht, möchte ich hier nicht beurteilen.

Fakt ist allerdings, das es so ist. Es wird für Dich also immer wichtiger und möglicherweise sogar von existenzieller Bedeutung, dass Du Dich selbst in den unendlichen Irrgärten des Gesetzes zu Recht findest und die wichtigsten Grundlagen kennst, denn …

Wer seine RECHTE nicht selbst einfordert,
der hat KEINE!

Bernd M. Schmid
(Menschenrechtsverteidiger & Pazifist)

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