Richterin muss ins Gefängnis!

Lüdenscheid schreibt Rechtsgeschichte: Wegen Rechtsbeugung im Amt wurde eine Richterin jetzt zu einer Gefängnisstrafe verurteilt!

Hagen/Lüdenscheid – Gefängnis oder Bewährung? Diese Frage hatte das Landgericht in Hagen am Montag im Fall der in gleich zehn Fällen wegen Rechtsbeugung im Amt angeklagten Amtsrichterin (40) aus Lüdenscheid zu beantworten. Die Antwort: Gefängnis. Die Richterin wurde im zweiten Verfahren vorm Landgericht zu zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Verteidiger Torsten Giesecke im Gespräch mit seiner Mandantin.
© Thomas Machatzke

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im November 2022 dieses zweite Verfahren erneut am Landgericht in Hagen angeordnet und damit der Revision der Verteidigung stattgegeben. Die Schuld der Richterin hat der BGH allerdings bestätigt, dabei das Urteil des Landgerichts vom 18. November 2021 in Details korrigiert, einige Vorwürfe abgemildert. Das Landgericht, es hatte indes unter Vorsitz von Richter Jörg Weber-Schmitz nurmehr über ein neues Strafmaß zu entscheiden, nicht mehr über die Schuldfrage.

Drei Jahre und zehn Monate: Diese Freiheitsstrafe stand unter dem ersten Urteil des Landgerichts Hagen. Wegen Rechtsbeugung in zehn Fällen, außerdem sechsfachen Verwahrungsbruchs und Urkundenunterdrückung war die Richterin verurteilt worden. Sie hatte unzweifelhaft Verfahren verschleppt. In sechs Fällen habe die Angeklagte entgegen der rechtlichen Würdigung durchs Landgericht nicht durch aktives Tun, sondern durch Unterlassen Rechtsbeugung begangen, hatte der BGH festgestellt.

Die Hoffnungen der Verteidigung, über die eine verminderte Schuldfähigkeit der Angeklagten eine Bewährungsstrafe zu erreichen, hatten vor zwei Wochen bei Aufnahme des zweiten Verfahrens erhebliche Dämpfer erhalten – der Gutachter Grünherz hatte der Argumentation der Verteidigung nicht folgen wollen.

Beim abschließenden Plädoyer setzte Verteidiger Torsten Giesecke noch darauf, dass seiner Mandantin der vom BGH im Revisionsurteil gebrauchte Begriff eines möglichen „unbenannten minderschweren Falls“ helfen könnte. Zur Erklärung: Für viele Straftatbestände sind im Gesetzbuch „minderschwere Fälle“ vorgesehen, nicht aber für Rechtsbeugung im Amt (deshalb „unbenannt). Auch darauf wollten sich am Ende aber weder Staatsanwalt und noch das Gericht einlassen.

Unterm Strich wurden der 40-Jährigen aus Gevelsberg zwar ihr Geständnis, die lange Dauer des Verfahrens, ihre vorher untadelige berufliche Laufbahn und auch der vollständige Verlust der beruflichen Perspektive zu Gute gehalten. Gleichwohl kam Jörg Weber-Schmitz im Urteil zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Allein den Straftatbestand der Urkundenfälschung in einem Fall – zur Vertuschung der Rechtsbeugung hatte die Richterin ein Protokoll gefälscht – legte Weber-Schmitz mit einem Strafmaß von zwei Jahren zu Grunde. Dazu kamen neun weitere Fälle, für die er unter Berücksichtigung aller Faktoren zehn Monate aufschlug.

Die Staatsanwaltschaft hatte unter Berücksichtigung aller Faktoren eine Strafe von drei Jahren und zwei Monaten gefordert, behielt sich am Montag zwar eine Beratung vor, wird aber wohl das Urteil am Ende akzeptieren.

Verteidiger Giesecke hatte für eine „angemessene Freiheitsstrafe, die zur Bewährung eingesetzt werden kann“ plädiert. Das wären höchstens zwei Jahre gewesen. Dass dies angesichts der hohen Anzahl der Fälle, bei denen allesamt ein Mindeststrafmaß von einem Jahr zu Grunde gelegt werden musste, ein weiter Weg sein würde, hatte Giesecke vorher gewusst. Bereits vor zwei Wochen hatten sich Richter, Staatsanwalt und Verteidiger bei einem Kaffee zu einem informellen Vorgespräch getroffen, dessen Inhalt Weber-Schmitz am Montag vor den Plädoyers zu Protokoll gab. Schon da hatte Weber-Schmitz angedeutet, das Strafmaß unter dem ersten Urteilsspruch, aber oberhalb einer Bewährungsstrafe zu erwarten.

Torsten Giesecke kündigte am Montag nach dem Urteilsspruch für seine Mandantin mit hoher Wahrscheinlichkeit eine neue Revision vor dem BGH an. Die allerdings wird am Ende wohl nur mehr Zeit für die Lüdenscheider Amtsrichterin bringen, das Gefängnis – dann wahrscheinlich nach kurzer Zeit im offenen Vollzug – wird ihr wohl nicht erspart bleiben. Giesecke hat im Vorfeld viele Akten zu Urteilen in Prozessen gegen Richter gewälzt. Er hat kein einziges Urteil gefunden, in dem ein Richter oder eine Richterin zu einer Strafe ohne Bewährung verurteilt worden ist. Die Lüdenscheider Amtsrichterin hat, wenn man so will, Rechtsgeschichte geschrieben. Ein sehr trauriges Kapitel.

Unser Fazit:
Wir sagen dazu nur “Pacta sunt servanda”!

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